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Benediktinerabtei Groß Sankt Martin
Was ihr entdecken könnt
Die Benedikitinerabtei wurde zunächst als Kollegiatstift gegründet und um 985 Benediktinerabtei. Sie wird Groß St. Martin genannt, um sie von der Kölner Pfarrkirche Klein-St. Martin zu unterscheiden. Vor allem der 75 Meter hohe Vierungsturm bestimmt heute das Kölner Stadtpanorama.
Patrozinium: Martin und Eliphius.
Orden: zunächst Kollegiatstift, um 985 Benediktinerabtei (Männerkloster), Groß-St. Martin genannt, um es von der Kölner Pfarrkirche Klein-St. Martin zu unterscheiden.
Geschichte (Gründung und Entwicklung bis um 1200):
Die Gründung des Kollegiatstifts durch den Kölner Erzbischof Brun erfolgte auf einer dem linken Rheinufer vorgelagerten Insel, die später mit der Uferzone des Kölner Marktes zusammenwuchs.
In seinem Testament von ca. 965 hinterließ Brun dem Märtyrer (der Zeit des Kaisers Julian Apostata) Eliphius, dessen Teile des Leibes ihm der Bischof Gerhard von Toul 963/65 geschenkt hatte, und dem Bekenner Martin (in dieser Reihenfolge) das „praedium“ Solingen, nachdem er schon früher das Stift mit dem Besitz Stammheim und Langel im Zülpichgau und in Köln selbst ausgestattet hatte.
Das Gründungsmotiv Bruns scheint der Aufbau eines Ausbildungszentrums für Führungskräfte in Lotharingien gewesen zu sein. Dieser Aspekt würde erklären, warum Bruns Nachfolger Folkmar (965-969) und Gero (969-976) der politischen Leitlinie folgten, während Erzbischof Everger (985-999) eine Kehrtwende vollzog, die auch gravierende Auswirkungen auf Groß-St. Martin hatte.
Die von Erzbischof Gero 974 veranlasste Gründung der Benediktinerabtei Gladbach musste für den Lütticher Bischof eine beabsichtigte Provokation darstellen, da die vom Kölner Erzbischof abhängige Gladbacher Abtei im Lütticher Diözesangebiet lag. dass der Kölner Erzbischof Warin zwischen 981 und 985 den Gladbacher Abt durch einen unfähigen Nachfolger ersetzte, weil jener angeblich mehr in Diensten des Lütticher Bischofs als in kölnischen Diensten gestanden habe, bestätigt die unzuträgliche Überschneidung der Kompetenzen.
Erzbischof Everger (985-999), von dem es boshaft heißt, er wollte das Bistum Lüttich aufbauen, da er die eigene Diözese kaum würdig verwalten konnte, strebte eine Radikallösung an, indem er kurzerhand den Gladbacher Konvent nach Groß-St. Martin verlegte und die Kanoniker von St. Martin vor die Alternative stellte, entweder auf die Benediktregel die Profeß abzulegen oder das Stift für immer zu verlassen. Die Erbitterung darüber produzierte wenig glaubwürdige Vorwürfe: Everger habe die Güter des Gladbacher Klosters unter seine Ritter aufgeteilt und sich am Tod des Erzbischofs Gero schuldig gemacht, weil er den Sarg des nur Scheintoten zu öffnen verhindert habe; der Papst habe ihm deshalb als Buße verordnet, ein Kloster mit ungewöhnlich strenger Observanz zu gründen.
In der Tat, Everger schickte den Benediktinerkonvent in die Gladbacher Abtei zurück und fand durch den Tausch von Pfarreien einen Ausgleich mit dem Lütticher Bischof. Das Kloster Groß-St. Martin wurde mit schottischen Mönchen besiedelt, die für ihre rigorose Regel bekannt waren. Mit Unterstützung König Ottos III. stattete Everger Ende 988/Anfang 989 den neuen Konvent aus. Ob es sich tatsächlich um Mönche aus Schottland oder im Grunde um irofränkisch-lothringische Observanz handelte, muss offen bleiben. Jedenfalls leiteten Äbte mit keltischen und hebräischen Namen bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts das Kloster. Immerhin lässt das das Patrozinium der St. Martin benachbarten Pfarrkirche St. Brigida, einer Heiligen aus dem irischen Kildare, auf einen schottischen Abt schließen. Die in Deutschland nicht unbekannte, aber im Westen des Reiches seltene schottische Oberservanz fiel dem Drängen Erzbischof Annos II. (1056-75) zum Opfer, der für den Anschluss der Abtei an die Siegburger Reform sorgte. Er bescherte der zur Benediktregel zurückgekehrten Abtei im 12. Jahrhundert eine Zeit der Blüte.
Im Unterschied zu den Mönchen bürgerlicher Herkunft war die Zahl der Mönche adliger Herkunft relativ gering. Vogt der Abtei war in den Jahren 1083-85 ein gewisser Hermann. Im 13. Jahrhundert waren es die Herren von Heimbach und die Grafen von Berg (Engels 2006).
Gegründet 953/65 (Stift), nach 985 Benediktiner. Aufgehoben 1802 (Bönnen / Hirschmann 2006).
Säkularisation, Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau
Nach der Aufhebung aller geistlichen Korporationen infolge des Dekrets zur Säkularisation vom 9. Juni 1802 wurde das Martinskloster zum 21. September 1802 aufgelöst.
St. Martin diente in der Folge als Pfarrkirche und die verlassenen Abteigebäude als Wohnraum. Aufgrund von Baufälligkeit wurden die Gebäude um 1821/22 geräumt und auch teilweise abgerissen. Der Kreuzgang blieb bis 1839 erhalten, bevor er niedergelegt wurde. Groß St. Martin bot zur Mitte des 19. Jahrhunderts einen recht trostlosen Anblick, bevor sich die Stadt Köln ab 1843 finanziell an einer Wiederherstellung der Kirche beteiligte, die sich bis 1885 hinzog.
Im Zweiten Weltkrieg beschädigten fünf der der zahlreichen Luftangriffe auf Köln Groß St. Martin erheblich. Bei dem ersten Tausend-Bomber-Angriff in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 verbrannten Turm- und Langhausdach vollständig. Die verheerendsten Schäden richtete dann der letzte große Luftangriff am 2. März 1945 an. Zum Kriegsende waren 95 Prozent der linksrheinischen Kölner Altstadt zerstört und von Groß St. Martin standen nur noch der untere Teil des Trikonchos (auch „Kleeblattchor“, eine besondere Grundrissform des Chors), die Seitenwände des Langhauses, die Basis des Vierungsturms und Stummel der Flankierungstürme.
Die vormalige Pfarrgemeinde St. Martin wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst und der Pfarrgemeinde des Kölner Doms zugewiesen. Bereits ab 1948 begannen erste Wiederaufbau- und Sicherungsarbeiten, bei denen der große Vierungsturm bis 1965 wieder seine alte Gestalt erhielt. Erst zum 13. Januar 1985 konnte die Kirche wieder eröffnet werden, die Altarweihe vollzog Joseph Kardinal Höffner (1906-1987, Erzbischof von Köln 1969-1987) am 22. Juni 1985.
Aktuelle Situation
Nach über 200 Jahren wurde Groß St. Martin zum 19. April 2009 erneut Klosterkirche, als die Gebäude durch Joachim Kardinal Meisner (1933-2017, Erzbischof von Köln 1989-2014) der aus Paris stammenden benediktinischen „Gemeinschaft von Jerusalem“ (Fraternité de Jérusalem) übergeben wurde, die die Anlage seitdem als „Stadtkloster Groß Sankt Martin“ betreibt.
Groß St. Martin ist eine der zwölf großen romanischen Kirchen in Köln. Vor allem der 75 Meter hohe Vierungsturm bestimmt heute zusammen mit den Türmen des Doms das Kölner Stadtpanorama.
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2018/2022)
Internet
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Siegburger Reform (abgerufen 02.01.2017)
www.romanische-kirchen-koeln.de: Förderverein Romanische Kirchen Köln e.V., Groß St. Martin (abgerufen 20.02.2018)
jerusalem.cef.fr: Gemeinschaften von Jerusalem, Köln (abgerufen 20.02.2018)
Orden: zunächst Kollegiatstift, um 985 Benediktinerabtei (Männerkloster), Groß-St. Martin genannt, um es von der Kölner Pfarrkirche Klein-St. Martin zu unterscheiden.
Geschichte (Gründung und Entwicklung bis um 1200):
Die Gründung des Kollegiatstifts durch den Kölner Erzbischof Brun erfolgte auf einer dem linken Rheinufer vorgelagerten Insel, die später mit der Uferzone des Kölner Marktes zusammenwuchs.
In seinem Testament von ca. 965 hinterließ Brun dem Märtyrer (der Zeit des Kaisers Julian Apostata) Eliphius, dessen Teile des Leibes ihm der Bischof Gerhard von Toul 963/65 geschenkt hatte, und dem Bekenner Martin (in dieser Reihenfolge) das „praedium“ Solingen, nachdem er schon früher das Stift mit dem Besitz Stammheim und Langel im Zülpichgau und in Köln selbst ausgestattet hatte.
Das Gründungsmotiv Bruns scheint der Aufbau eines Ausbildungszentrums für Führungskräfte in Lotharingien gewesen zu sein. Dieser Aspekt würde erklären, warum Bruns Nachfolger Folkmar (965-969) und Gero (969-976) der politischen Leitlinie folgten, während Erzbischof Everger (985-999) eine Kehrtwende vollzog, die auch gravierende Auswirkungen auf Groß-St. Martin hatte.
Die von Erzbischof Gero 974 veranlasste Gründung der Benediktinerabtei Gladbach musste für den Lütticher Bischof eine beabsichtigte Provokation darstellen, da die vom Kölner Erzbischof abhängige Gladbacher Abtei im Lütticher Diözesangebiet lag. dass der Kölner Erzbischof Warin zwischen 981 und 985 den Gladbacher Abt durch einen unfähigen Nachfolger ersetzte, weil jener angeblich mehr in Diensten des Lütticher Bischofs als in kölnischen Diensten gestanden habe, bestätigt die unzuträgliche Überschneidung der Kompetenzen.
Erzbischof Everger (985-999), von dem es boshaft heißt, er wollte das Bistum Lüttich aufbauen, da er die eigene Diözese kaum würdig verwalten konnte, strebte eine Radikallösung an, indem er kurzerhand den Gladbacher Konvent nach Groß-St. Martin verlegte und die Kanoniker von St. Martin vor die Alternative stellte, entweder auf die Benediktregel die Profeß abzulegen oder das Stift für immer zu verlassen. Die Erbitterung darüber produzierte wenig glaubwürdige Vorwürfe: Everger habe die Güter des Gladbacher Klosters unter seine Ritter aufgeteilt und sich am Tod des Erzbischofs Gero schuldig gemacht, weil er den Sarg des nur Scheintoten zu öffnen verhindert habe; der Papst habe ihm deshalb als Buße verordnet, ein Kloster mit ungewöhnlich strenger Observanz zu gründen.
In der Tat, Everger schickte den Benediktinerkonvent in die Gladbacher Abtei zurück und fand durch den Tausch von Pfarreien einen Ausgleich mit dem Lütticher Bischof. Das Kloster Groß-St. Martin wurde mit schottischen Mönchen besiedelt, die für ihre rigorose Regel bekannt waren. Mit Unterstützung König Ottos III. stattete Everger Ende 988/Anfang 989 den neuen Konvent aus. Ob es sich tatsächlich um Mönche aus Schottland oder im Grunde um irofränkisch-lothringische Observanz handelte, muss offen bleiben. Jedenfalls leiteten Äbte mit keltischen und hebräischen Namen bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts das Kloster. Immerhin lässt das das Patrozinium der St. Martin benachbarten Pfarrkirche St. Brigida, einer Heiligen aus dem irischen Kildare, auf einen schottischen Abt schließen. Die in Deutschland nicht unbekannte, aber im Westen des Reiches seltene schottische Oberservanz fiel dem Drängen Erzbischof Annos II. (1056-75) zum Opfer, der für den Anschluss der Abtei an die Siegburger Reform sorgte. Er bescherte der zur Benediktregel zurückgekehrten Abtei im 12. Jahrhundert eine Zeit der Blüte.
Im Unterschied zu den Mönchen bürgerlicher Herkunft war die Zahl der Mönche adliger Herkunft relativ gering. Vogt der Abtei war in den Jahren 1083-85 ein gewisser Hermann. Im 13. Jahrhundert waren es die Herren von Heimbach und die Grafen von Berg (Engels 2006).
Gegründet 953/65 (Stift), nach 985 Benediktiner. Aufgehoben 1802 (Bönnen / Hirschmann 2006).
Säkularisation, Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und Wiederaufbau
Nach der Aufhebung aller geistlichen Korporationen infolge des Dekrets zur Säkularisation vom 9. Juni 1802 wurde das Martinskloster zum 21. September 1802 aufgelöst.
St. Martin diente in der Folge als Pfarrkirche und die verlassenen Abteigebäude als Wohnraum. Aufgrund von Baufälligkeit wurden die Gebäude um 1821/22 geräumt und auch teilweise abgerissen. Der Kreuzgang blieb bis 1839 erhalten, bevor er niedergelegt wurde. Groß St. Martin bot zur Mitte des 19. Jahrhunderts einen recht trostlosen Anblick, bevor sich die Stadt Köln ab 1843 finanziell an einer Wiederherstellung der Kirche beteiligte, die sich bis 1885 hinzog.
Im Zweiten Weltkrieg beschädigten fünf der der zahlreichen Luftangriffe auf Köln Groß St. Martin erheblich. Bei dem ersten Tausend-Bomber-Angriff in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 verbrannten Turm- und Langhausdach vollständig. Die verheerendsten Schäden richtete dann der letzte große Luftangriff am 2. März 1945 an. Zum Kriegsende waren 95 Prozent der linksrheinischen Kölner Altstadt zerstört und von Groß St. Martin standen nur noch der untere Teil des Trikonchos (auch „Kleeblattchor“, eine besondere Grundrissform des Chors), die Seitenwände des Langhauses, die Basis des Vierungsturms und Stummel der Flankierungstürme.
Die vormalige Pfarrgemeinde St. Martin wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst und der Pfarrgemeinde des Kölner Doms zugewiesen. Bereits ab 1948 begannen erste Wiederaufbau- und Sicherungsarbeiten, bei denen der große Vierungsturm bis 1965 wieder seine alte Gestalt erhielt. Erst zum 13. Januar 1985 konnte die Kirche wieder eröffnet werden, die Altarweihe vollzog Joseph Kardinal Höffner (1906-1987, Erzbischof von Köln 1969-1987) am 22. Juni 1985.
Aktuelle Situation
Nach über 200 Jahren wurde Groß St. Martin zum 19. April 2009 erneut Klosterkirche, als die Gebäude durch Joachim Kardinal Meisner (1933-2017, Erzbischof von Köln 1989-2014) der aus Paris stammenden benediktinischen „Gemeinschaft von Jerusalem“ (Fraternité de Jérusalem) übergeben wurde, die die Anlage seitdem als „Stadtkloster Groß Sankt Martin“ betreibt.
Groß St. Martin ist eine der zwölf großen romanischen Kirchen in Köln. Vor allem der 75 Meter hohe Vierungsturm bestimmt heute zusammen mit den Türmen des Doms das Kölner Stadtpanorama.
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2018/2022)
Internet
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Siegburger Reform (abgerufen 02.01.2017)
www.romanische-kirchen-koeln.de: Förderverein Romanische Kirchen Köln e.V., Groß St. Martin (abgerufen 20.02.2018)
jerusalem.cef.fr: Gemeinschaften von Jerusalem, Köln (abgerufen 20.02.2018)