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Kanonissenstift Sankt Ursula


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Im Privileg König Lothars II. von 866 für den Kölner Erzbischof Gunthar wird auch das „monasterium beatarum virginum“ unter den von der Kölner Kirche abhängigen Stiften genannt. Es ist die einzige Quelle, die auf eine Kanonikergemeinschaft schließen lässt.

Patrozinium: Maria, Ursula und heilige Jungfrauen.
Orden: Kanonissenstift (Frauenkloster).
Geschichte (Gründung und Entwicklung bis um 1200):
Am westlichen Rand eines Gräberfeldes nördlich vor der römischen Stadt befand sich wahrscheinlich seit dem 4. Jahrhundert ein dem Märtyrerkult dienender Bau, der zu Anfang des 5. Jahrhunderts erweitert worden sein muss. Dessen unbekannter Erbauer stammte wohl aus dem Osten und hatte die Basilika den im Gräberfeld ruhenden Märtyrer-Jungfrauen geweiht.
Einzelne Namen dieser Jungfrauen tauchen erst zu Anfang des 9. Jahrhunderts auf; darunter erst im 10. Jahrhundert Ursula neben Martha und Saula, die außer in Köln auch in Essen nachweisbar sind. Zu dieser Zeit findet sich Ursula erstmals an der Spitze der insgesamt elf Jungfrauen genannt. Im 9. Jahrhundert muss die Zahl elf wohl durch einen Lesefehler in 11.000 erweitert worden sein. Laut stetig wachsender Legende sollen im 10. Jahrhundert die Jungfrauen als Begleiterinnen der Thebäischen Legion aus dem Osten gekommen sein. Nach einer anderen Version stammten sie aus England und erlitten in Rom ihr Martyrium oder wurden gemäß einer weiteren Version ein Opfer der Hunnen, die Köln gerade belagerten.

In der älteren Fassung der Vita des Kölner Erzbischofs Kunibert aus dem 9. Jahrhundert wird von einem Besuch des Bischofs in der Ursula-Basilika berichtet, wobei ihm eine Taube die Stelle des Ursula-Grabes gewiesen habe. Im Privileg König Lothars II. von 866 für den Kölner Erzbischof Gunthar wird auch das „monasterium beatarum virginum“ unter den von der Kölner Kirche abhängigen Stiften genannt. Es ist die einzige Quelle, die auf eine Kanonikergemeinschaft schließen lässt. Wenn dies zutreffen sollte, scheint das Stift durch den Normanneneinfall von 881 wieder untergegangen zu sein.
Auf sicherem Boden befindet man sich 922, als Erzbischof Hermann I. die Kanonissen von Gerresheim, deren Stift von den Ungarn verwüstet worden war, nach St. Ursula umsiedelte. Ihren Gerresheimer Besitz konnten die Kanonissen in die neue Wohnstätte nicht einbringen, traten dafür aber in den vorhandenen Besitz von St. Ursula ein. Darunter befanden sich Schenkungen des Jahres 911 durch König Konrad I. aus dem Bopparder Bereich, so dass man annehmen muss, die Kirche „ad sanctam Mariam et ad XI milia virginum“ war 922 keineswegs völlig verwaist; nur fragt sich, wer sie betreut hat und was mit ihr 922 geschehen ist. 925/26 gewährte Papst Johannes X. auf Bitten der Äbtissin Landsuid dem Stift, das Erzbischof Hermann (vor 924) wieder hergestellt habe, seinen Schutz. Mit Gerresheim ist bis ins 14. Jahrhundert keine engere Verbindung St. Ursulas mehr bezeugt. Im frühen 10. Jahrhundert gelangte St. Ursula in den Besitz von 16 Kirchen in den Räumen von Köln, Koblenz und am oberen Mittelrhein zwischen Wiesbaden und Worms. 970 wurden die neue Kirche und das Stiftsgebäude eingeweiht. Gleichzeitig bemühten sich die Kanonissen um die Ausgestaltung und Verbreitung der Legende von den heiligen Jungfrauen. Deren Patrozinium nahm den ersten Rang ein, der erst im 17. Jahrhundert von Ursula als deren Anführerin verdrängt wurde. Im 11. Jahrhundert musste das Stift den Verlust der ihm 980 geschenkten Kirche St. Aposteln hinnehmen, weil diese zur Kirche eines selbständigen Stifts aufgestiegen war. 1106 zeigte sich das Kanonissenstift der Aufsicht des Abtes von St. Pantaleon unterstellt, der sich der Siegburger Benediktinerreform angeschlossen hatte.

Das 12. Jahrhundert erweist sich für das Stift als eine Phase gesteigerten Ansehens, nicht zuletzt, weil im Zuge der Auseinandersetzungen Kaiser Heinrichs IV. mit seinem Sohn Heinrich V. die Stadt Köln Partei für den aufsässigen Thronfolger ergriffen hatte, aus Furcht vor der Rache des Kaisers Außenbezirke der Stadt in die Befestigungsanlage einbeziehen ließ und dabei ein weiteres Gräberfeld entdeckte. Geschickt verstanden es die Kanonissen von St. Ursula, den Anspruch der Kanoniker von St. Kunibert zu ihren Gunsten abzuweisen, weil es sich nur um die Überreste der 11.000 Jungfrauen handeln könne. Die für ihre Prophezeiungen bekannte Seherin Elisabeth von Schönau wurde zu Rate gezogen, die 1156/57 in ihren „Revelationes de sacro exercitu virginum Coloniensium“ die Authentizität der Reliquien bestätigte und jeder Märtyrerin einen Namen zu geben wußte. Die nicht unentgeltliche Veräußerung der begehrten Reliquien, die päpstlicherseits 1393 verboten wurde, erlaubte einen abermaligen Neubau der Stiftskirche und eine weltweite Verbreitung der Ursula-Verehrung. 1174 scheint eine Mensateilung vorgenommen worden zu sein, da erstmals die Bezeichnung „Kapitel“ auftauchte und das Amt der Dekanin erlosch. Im ausgehenden 12. Jahrhundert verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation. Die Doppelwahl der Äbtissin von 1227 lässt überdies auf einen turbulenten Zustand schließen.

Der ausschließlich aus edelfreien Damen bestehende Konvent zählte im 13. Jahrhundert 40 Kanonissen. Zum Kapitel zählten auch die mit der Seelsorge betrauten Kanoniker; konstant waren es vier bis fünf. Dem Erzbischof oblag die Leitungsgewalt „in spiritualibus et temporalibus“. Die Stellung der Äbtissin blieb durchgehend ziemlich stark; ihr oblag die Wahl und Einweisung in ein Kanonikat, ebenfalls die Ernennung eines Kanonikers. Die freie Wahl der Äbtissin war von der Zustimmung des Erzbischofs als dem Eigenkirchenherrn abhängig. Als solcher nahm er vom 10. bis zum 12. Jahrhundert die für das Stift bestimmten Schenkungen entgegen; seit Beginn des 13. Jahrhunderts jedoch handelte das Stift in allen Besitzangelegenheiten mit Ausnahme von Besitzveräußerungen selbständig. Als Vogt wird während des 12. Jahrhunderts Graf Wilhelm von Jülich genannt; auch dessen Rechtsnachfolger blieben einflussreich (Engels 2006).

Gegründet 866 (als Kanonikerstift bezeugt), nach Zerstörung 922 mit Frauen besetzt. Aufgehoben 1802 (Bönnen / Hirschmann 2006).

Seit dem Jahr 1920 trägt Sankt Ursula den Ehrentitel einer Basilica minor („kleinere Basilika“). Diese an die vier „großen“ Basilicae maiores in Rom angelehnte Auszeichnung wird seit dem 18. Jahrhundert vom Papst der römisch-katholischen Kirche als besonderer Ehrentitel an bedeutende Kirchengebäude verliehen. In Deutschland gibt es 78 Basilicae minores (Stand 2023).

(LVR-Redaktion KuLaDig, 2011/2023)

Internet
www.rheinische-geschichte.lvr.de: Siegburger Reform (abgerufen 02.01.2017)

Pilgerspuren (Nachtrag 2012)
Neben dem Dom war die Damenstiftskirche St. Ursula mit den Reliquien der britannischen Prinzessin Ursula und ihren Gefährtinnen die wichtigste von Pilgern aufgesuchte Verehrungsstätte. Ausgrabungen unter der heutigen Emporenbasilika des 12. Jahrhunderts haben einen Apsissaal der ausgehenden Spätantike nachgewiesen, dessen kirchliche Nutzung sich für das 4.und 5. Jahrhundert noch nicht belegen lässt. Erst seit der Wende vom 5. zum 6. Jahrhunderts ist durch den Einbau eines Ambos eine Verwendung des Gebäudes als Kirche nachweisbar. Von einer Verehrung von heiligen Jungfrauen spricht erstmals eine Urkunde des 9. Jahrhunderts, die eine „ecclesia sanctarum virginum“ (Kirche der heiligen Jungfrauen) nennt.

Der im 13. Jahrhundert abgeschlossenen Legendenentwicklung zufolge haben die Jungfrauen eine Pilgerfahrt auf dem Rhein nach Rom unternommen und waren auf der Rückreise bei Köln von heidnischen Hunnen getötet worden. Aus zunächst elf Jungfrauen wurden durch einen Übersetzungsfehler elftausend. 1106 stieß man beim Bau einer neuen Stadtumwallung im Verlauf der heutigen Eintrachtstraße auf eine große Anzahl von Gebeinen, die als Reste jener elftausend Märtyrerinnen identifiziert wurden, tatsächlich jedoch von einem römischen Gräberfeld stammten.

Im hochgotischen Reliquienchor, der zeitgleich mit der Errichtung des Kölner Domchores in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand, ermöglichte die Aufstellung des Ursulaschreines auf Pfosten ein rituelles Unterschreiten durch die Pilger. Mit seinen Reliquienfächern in den Chorwänden wurde die Chorhalle selber zu einem Reliquienbehältnis. Seit dem 14. Jahrhundert fertigten Kölner Schnitzerwerkstätten für Einzelreliquien Holzbüsten, die in zahlreiche Kirchen und Kathedralen europäischer Länder gelangten. Ein Zeugnis der Reliquienfrömmigkeit im Zeitalter des Barocks ist die Goldene Kammer, die sich südlich an die Vorhalle von St. Ursula anschließt. Sie enthält in Fächern angeordnet die meisten der Kölner Reliquienbüsten, darüber sind die Wände mit aus Gebeinen gelegten Wandornamenten und Inschriften gestaltet.

(Christoph Kühn, im Auftrag des LVR-Fachbereichs Umwelt, 2012)

Internet
koeln-lotse.de: Die Heilige Ursula, Teil I: Ihr Martyrium rettet Köln vor den Hunnen (Uli, der Köln-Lotse vom 21.07.2020, abgerufen 21.10.2023)
koeln-lotse.de: Die Heilige Ursula, Teil II: Der Reliquienkult wird für die Kölner zum guten Geschäft (Uli, der Köln-Lotse vom 18.07.2020, abgerufen 20.07.2020)



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