spot
Gefängnis Klingelpütz
Was ihr entdecken könnt
Der Name der über eine Länge von knapp 500 Metern von Südwest nach Nordost verlaufenden Kölner Straße ‚Klingelpütz‘ und der hier befindliche gleichnamige Park erinnern an das aus preußischer Zeit stammende und von 1838 bis 1969 betriebene Kölner Gefängnis.
Der Name der über eine Länge von knapp 500 Metern von Südwest nach Nordost verlaufenden Kölner Straße ‚Klingelpütz‘ und der hier befindliche gleichnamige Park erinnern an das aus preußischer Zeit stammende und von 1838 bis 1969 betriebene Kölner Gefängnis.
Name und Lage
Baugeschichte
Preußische, Weimarer und NS-Zeit
Ende der Haftanstalt und heutige Situation
Internet, Literatur
Name und Lage
Der Begriff „Pütz“ bezeichnet im Rheinländischen Dialekt in der Regel einen kleinen Brunnen, eine Quelle oder eine Grube (von lateinisch puteus, u.a. noch erhalten im hochdeutschen Wort „Pfütze“). „Die Pütze (Ziehbrunnen) waren vor der späteren Einrichtung von Pumpen für das alltägliche Leben von großer Bedeutung. Im Mittelalter liefen hier die ineinander übergehenden Straßen Klingelpütz und Plankgasse zusammen.“ (altes-koeln.de)
Der Namensbestandteil „Klingel“ wiederum geht auf eine Familie Clingelmann zurück, die im 13. Jahrhundert Eigentümer eines Areals domus clingilsmanshus war, auf dem sich offenbar mehrere Brunnen befanden (ebd. und de.wikipedia.org, Klingelpütz).
Die heutige Straße „Klingelpütz“ am Hansaring in der Kölner Altstadt-Nord verläuft über knapp 500 Meter zwischen der kleinen Parkanlage Gereonsdriesch am Stift St. Gereon und dem früheren Bereich der Bastion XII der inneren preußischen Wallanlage.
Die Kartenblätter der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten preußischen Uraufnahme, der preußischen Neuaufnahme von 1891-1912 und der topographischen Karte 1936-1945 zeigen deutlich das hier zwischen 1838 und 1969 betriebene Gefängnis mit seinem sternförmigen Zentralbau (vgl. die historischen Hintergrundkarten in der Kartenansicht und die Abbildungen). Ein von einem Kölner Kaufhaus Peters vertriebener und recht detaillierter „Plan von Köln“ aus dem Jahr 1938 zeigt den Klingelpütz mit seinen Bauten und dem damaligen Umfeld sehr anschaulich (landkartenarchiv.de).
Nach dem Umzug in die etwa vier Kilometer entfernt liegende moderne Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf wurde das alte Gefängnis abgerissen und der heutige Klingelpützpark mit Spielplatz und einem Jugendzentrum eingerichtet.
Baugeschichte
Die Stadt Köln ging nach der Franzosenzeit 1815 an das Königreich Preußen. Zuvor nutzte man gerne säkularisierte Klöster als Haftanstalten, so in Köln das ehemalige Klarissenkloster „Zu den Schutzengeln“ (Schildergasse / Ecke Neumarkt), in dem um 1800 das Rheinische Arrest- und Korrektionshaus eingerichtet wurde. Dieses diente nach einem Umbau 1846/48 noch länger als Frauengefängnis, entsprach aber schon vorher „weder räumlich und organisatorisch noch in hygienischer Hinsicht den damaligen Anforderungen an den Strafvollzug“ (Braun 2003, S. 121 ff. u. 156 f.).
Preußen erwarb am 28. Juni 1833 von der Stadt das 26.267 Quadratmeter große Grundstück Klingelpütz 21 für den ersten Neubau einer Strafanstalt in der preußischen Rheinprovinz (Klein 1863, S. 49f.). Die Parzelle war bis 1787 der Standort eines in diesem Jahr aufgegebenen Augustiner-Chorherrenstifts „Herrenleichnahm“.
Die Bauarbeiten begannen am 29. Mai 1835 nach Entwürfen des Kölner Regierungsbaumeisters Matthias Biercher (1797-1869) und der fertige Bau wurde am 15. Oktober 1838 als „Arrest- und Correctionshaus am Klingelpütz zu Cöln“ übergeben.
„Der dreigeschossige Ziegelsteinbau für 300 'Zwangs-Arbeitsstraffällige' und 500 'Correktionäre' (Gefangene) hatte einen voll ausgebauten Keller und zwei Gefängnismauern. Die Innenmauer hatte eine Höhe von 5,02 Metern, die äußere war 6,28 m hoch. Das Mittelgebäude war in Form eines Oktagons gestaltet. (…) Ab März 1843 erfolgte die Erweiterung um den Südflügel, auch Isolierhaftflügel genannt, mit Einzelzellen für 180 Personen, die 1845 vollendet war.“ (de.wikipedia.org, ausführlich bei Braun 2003)
Obgleich die Anstalt Platz für rund 800 Insassen bot, erwies sie sich bereits 1841 als zu klein – Notgefängnisse wurden seinerzeit in der Severinstorburg und im Bayenturm eingerichtet. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass seinerzeit neben Straftätern auch „Geistes- und andere Kranke, Bettler, Menschen ohne festen Wohnsitz, sowie Waisenkinder und so genannte Fürsorgezöglinge“ in den Anstalten untergebracht wurden (Braun 2003, S. 132) und im Klingelpütz auch „Kinder, welche auf Verlangen ihrer Eltern eingesperrt werden“ (www.koeln-lotse.de).
Da der Klingelpütz schon gewohnheitsmäßig aus allen Nähten platzte, erfolgten immer wieder Um- und Erweiterungsbauten. Zwischen 1892 und 1896 wurde „unter anderem ein spezielles Hafthaus in einem der Innenhöfe errichtet. Vorher musste jedoch das Obergeschoß des mittig gelegenen Oktagons zu einer Anstaltskirche umgebaut werden, da die alte Kapelle dem neuen Hafthaus weichen musste. Mit diesen und weiteren Umbauten blieb der Klingelpütz bis zum 29. Juni 1943 nahezu baulich unverändert.“ (ebd.)
Preußische, Weimarer und NS-Zeit
Der wohl berühmteste Insasse des 19. Jahrhunderts war Paulus Kardinal Melchers (1813-1895, Kölner Erzbischof 1866-1885) im Rahmen des Kulturkampfes. Der bei den Katholiken außerordentlich populäre Melchers wurde nach seiner spektakulären und Aufsehen erregenden Verhaftung am 31. Mai 1874 für etwas mehr als ein halbes Jahr im Klingelpütz inhaftiert.
Da sie über einen von außen nicht einsehbaren Hof verfügte, wurden in der Kölner Anstalt auch Todesurteile anderer Justizeinrichtungen im Rheinland vollstreckt. So wurden hier am 29. Dezember 1923 der in der Eifel als „Stumpfarm“ bekannte vierfache Mörder (das Urteil beinhaltete ferner einen Totschlag) Johann Mayer (1886-1923) durch Enthauptung hingerichtet (dpsg-kaisersesch.de) und am 2. Juli 1931 der als „Vampir von Düsseldorf“ bekannte (mindestens) neunfache Serienmörder Peter Kürten (1883-1931), der seine Mordserie 1913 in seinem Geburtsort Mülheim begonnen hatte (www.ksta.de und www.koeln-lotse.de).
Während der NS-Diktatur wurde diese Praxis für Verurteilungen durch Sondergerichte (Aachen, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Hagen, Koblenz, Köln, Münster, Wuppertal), den Berliner Volksgerichtshof und das Leipziger Reichsgericht fortgesetzt – vermutlich kamen hier über 1.000 Menschen mit dem Fallbeil zu Tode.
Für die Nutzung durch die im Kölner EL-DE Haus residierende Geheime Staatspolizei (Gestapo) war ab 1944 ein ganzer Flügel der Haftanstalt reserviert. Die durch andauernde Überbelegung ohnehin sehr beengten Haftbedingungen verschlimmerten sich nochmals durch einen Bombentreffer im gleichen Jahr. Bei Kraus findet sich zur Überbelegung die Angabe: „Die Gefangenen, deren Anzahl 1940 auf über 15000 anstieg und 1944 über 10000 betrug, waren überwiegend ausländische Zwangsarbeiter.“ (ebd. 1999, S. 73)
Eines der zahlreichen Opfer zur Zeit des Nationalsozialismus war der deutsche Jude Karl Leopold Schaps (1910-1942), der wegen „Rassenschande“ zum 14. März 1942 von der Gestapo im Gefängnis Klingelpütz inhaftiert wurde, obgleich er wohl eher „eine Mischung aus ‚Bonvivant' und ‚Filou'“ war, ein „charmanter Bruder Leichtfuß, der es mit der Wahrheit nicht so genau [nahm und] ... offenbar nicht in der Lage [war], die politischen Kräfte, die in Deutschland an der Macht sind, realistisch einzuschätzen.“ (Serup-Bilfeldt 2005)
Um das am 20. August 1942 mit dem Fallbeil vollzogene Todesurteil zu ermöglichen, wurde er von einer Sonderkammer des Kölner Landgerichts mittels überwiegend konstruierter Anklagen als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ eingestuft.
An Schaps erinnert seit dem 5. Oktober 2020 ein Stolperstein an seiner früheren Arbeitsstätte am Hohenzollernring 18 in der Altstadt.
Nach dem Fund von sieben ausländischen Toten kurz nach der Befreiung (25. Mai 1945) wurden im Oktober und November nochmals weitere 80 Leichen im Gefängnishof ausgegraben. Es handelte sich wahrscheinlich um politische Häftlinge, die offenbar für eine Verlegung in das Konzentrationslager Buchenwald als „transportunfähig“ angesehen und noch am 15. Januar 1945 ermordet wurden (Kraus 1999).
Auf dem Kölner Westfriedhof in Vogelsang befindet sich ein eigenes Gräberfeld für Hingerichtete im Klingelpütz, die während der NS-Zeit von Sondergerichten zum Tode verurteilt, im Klingelpütz ermordet und dann anonym begraben wurden. Eine Informationstafel des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln (NS-DOK) erinnert vor Ort an die Geschehnisse.
Ende der Haftanstalt und heutige Situation
In der Nachkriegszeit galt die mittlerweile 120 Jahre alte Anstalt als deutlich zu klein. Nach 1945 wurden nochmals Höhepunkte in der Belegung erreicht. Infolge von zahlreichen Wirtschaftsdelikten und Zollvergehen in den Nachkriegsjahren lag die Tagesdurchschnittsbelegung bei 1100 bis 1200 Insassen und in den letzten Jahren bis zur Schließung waren jährlich etwa 18000 Haftfälle zu verzeichnen, „d. h. dass 18000 verschiedene Menschen die Pforte zu einem längeren oder kürzeren Zwangsaufenthalt in Untersuchungshaft oder in Strafhaft passiert haben“ (www.jva-koeln.nrw.de, Klingelpütz)
Zur Mitte der 1960er-Jahre häuften sich auch negative Schlagzeilen rund um körperliche Übergriffe von Vollzugsbediensteten auf Gefangene und um Gewalt unter Häftlingen. Den Vorwürfen in der so genannten „Klingelpütz-Affäre“ 1964-1966 infolge einer Reihe schwerster Misshandlungen an Gefangenen, konnte der Justizvollzug im veralteten Klingelpütz wie auch ein Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer NRW-Landtags nur bedingt begegnen (Wüllenweber 1967 u. de.wikipedia.org, Klingelpütz-Affäre).
Auch Ausbrüche aus dem Gefängnis häuften sich in dieser Zeit – alleine zwischen 1960 und 1969 flohen 27 Gefangene. Eine letzte spektakulären Flucht gelang sieben Insassen am 23. August 1968 nur kurz vor der Schließung des Klingelpütz (youtu.be, „Chicago am Rhein“).
Gleichwohl galt für die schweren Jungs des Kölner kriminellen Untergrunds: „Ein richtiger Kölscher aus dem Milieu, der musste mal im Klingelpütz gewesen sein. Das musste sein, um mitsprechen zu können“ – so der Kölner Geldfälscher Hans-Jürgen „de Duv“ Kuhl (*1941), der seine sechsjährige Haftstrafe ab 2007 allerdings in der Justizvollzugsanstalt Euskirchen verbrachte. Die Kölner Rotlichtgröße Anton „Lange Tünn“ Claahsen (*1947) verbrachte hingegen zweieinhalb Jahre Haft im Klingelpütz (Müller / Mueller 2011, S. 12 und 93-113).
Die bereits seit Ende der 1950er-Jahre geplante neue Kölner Justizvollzugsanstalt in Ossendorf nahm 1968/69 ihren Betrieb auf, so dass nach der Verlegung der Gefangenen dorthin der Abriss des alten Klingelpütz erfolgen konnte – unter anderem durch eine große Sprengung am 4. Juni 1969.
Auf dem ehemaligen Gelände wurde 1969-1971 der heutige, rund zwei Hektar große Klingelpützpark eingerichtet. Der innerstädtische Landschaftspark gilt aufgrund seiner großräumigen Anlage als zeittypisches Beispiel stadträumlicher Gestaltung.
Zum 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges wurde am 1. September 1979 ein von dem Künstler Hans Karl Burgeff (1928-2005) gestalteter Gedenkstein der Öffentlichkeit übergeben. Dieser erinnert an den Klingelpütz als NS-Hinrichtungsstätte, seine Inschrift lautet:
„Hier wurden von 1933-1945 über tausend von der nationalsozialistischen Willkürjustiz unschuldig zum Tod Verurteilte hingerichtet.“
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2016/2022)
Internet
www.jva-koeln.nrw.de: Der Klingelpütz. Das alte Kölner Gefängnis (abgerufen 19.07.2021)
www.jva-koeln.nrw.de: Die neue JVA Köln (abgerufen 22.02.2016)
deu.archinform.net: Internationale Architektur-Datenbank (abgerufen 24.02.2016)
www.koeln-lotse.de: Der kölsche Knast Teil IV: Der legendäre Klingelpütz (Uli, der Köln-Lotse vom 14.08.2021, abgerufen 16.08.2021)
www.koeln-lotse.de: In Köln geboren und gestorben: Peter Kürten – der „Vampir von Düsseldorf“ (Uli, der Köln-Lotse vom 29.10.2022, abgerufen 31.10.2022)
landkartenarchiv.de: Plan von Köln 1938, Werbebeigabe des Kaufhauses Carl Peters in Köln, Verlag Ernst Moißl sen., Köln (abgerufen 15.07.2021)
youtu.be: „Chicago am Rhein – Von großen und kleinen Ganoven in Köln“ (Dokumentation von einsfestival über die Zuhälter in Köln, Teil 1), zeitgenössische Originalaufnahmen zum Klingelpütz ab 9:00 (abgerufen 28.02.2017)
altes-koeln.de: Klingelpütz (abgerufen 16.06.2023)
www.dpsg-kaisersesch.de: „Stumpfarm“ hinterließ eine blutige Fährte (Trierischer Volksfreund vom 21./22. September 1996, abgerufen 26.01.2013)
www.ksta.de: Kölns geheimnisvollste Orte: „Das Haus, in dem Serienmörder Peter Kürten tötete“ (Kölner Stadt-Anzeiger vom 04.02.2019, abgerufen 12.08.2020)
de.wikipedia.org: Klingelpütz (abgerufen 12.02.2016)
de.wikipedia.org: Klingelpützpark (abgerufen 24.02.2016)
de.wikipedia.org: Klingelpütz-Affäre (abgerufen 09.03.2021)
de.wikipedia.org: Karl Leopold Schaps (abgerufen 21.06.2021)
de.wikipedia.org: Johann Mayer, Serienmörder (abgerufen 17.02.2017)
Name und Lage
Baugeschichte
Preußische, Weimarer und NS-Zeit
Ende der Haftanstalt und heutige Situation
Internet, Literatur
Name und Lage
Der Begriff „Pütz“ bezeichnet im Rheinländischen Dialekt in der Regel einen kleinen Brunnen, eine Quelle oder eine Grube (von lateinisch puteus, u.a. noch erhalten im hochdeutschen Wort „Pfütze“). „Die Pütze (Ziehbrunnen) waren vor der späteren Einrichtung von Pumpen für das alltägliche Leben von großer Bedeutung. Im Mittelalter liefen hier die ineinander übergehenden Straßen Klingelpütz und Plankgasse zusammen.“ (altes-koeln.de)
Der Namensbestandteil „Klingel“ wiederum geht auf eine Familie Clingelmann zurück, die im 13. Jahrhundert Eigentümer eines Areals domus clingilsmanshus war, auf dem sich offenbar mehrere Brunnen befanden (ebd. und de.wikipedia.org, Klingelpütz).
Die heutige Straße „Klingelpütz“ am Hansaring in der Kölner Altstadt-Nord verläuft über knapp 500 Meter zwischen der kleinen Parkanlage Gereonsdriesch am Stift St. Gereon und dem früheren Bereich der Bastion XII der inneren preußischen Wallanlage.
Die Kartenblätter der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten preußischen Uraufnahme, der preußischen Neuaufnahme von 1891-1912 und der topographischen Karte 1936-1945 zeigen deutlich das hier zwischen 1838 und 1969 betriebene Gefängnis mit seinem sternförmigen Zentralbau (vgl. die historischen Hintergrundkarten in der Kartenansicht und die Abbildungen). Ein von einem Kölner Kaufhaus Peters vertriebener und recht detaillierter „Plan von Köln“ aus dem Jahr 1938 zeigt den Klingelpütz mit seinen Bauten und dem damaligen Umfeld sehr anschaulich (landkartenarchiv.de).
Nach dem Umzug in die etwa vier Kilometer entfernt liegende moderne Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf wurde das alte Gefängnis abgerissen und der heutige Klingelpützpark mit Spielplatz und einem Jugendzentrum eingerichtet.
Baugeschichte
Die Stadt Köln ging nach der Franzosenzeit 1815 an das Königreich Preußen. Zuvor nutzte man gerne säkularisierte Klöster als Haftanstalten, so in Köln das ehemalige Klarissenkloster „Zu den Schutzengeln“ (Schildergasse / Ecke Neumarkt), in dem um 1800 das Rheinische Arrest- und Korrektionshaus eingerichtet wurde. Dieses diente nach einem Umbau 1846/48 noch länger als Frauengefängnis, entsprach aber schon vorher „weder räumlich und organisatorisch noch in hygienischer Hinsicht den damaligen Anforderungen an den Strafvollzug“ (Braun 2003, S. 121 ff. u. 156 f.).
Preußen erwarb am 28. Juni 1833 von der Stadt das 26.267 Quadratmeter große Grundstück Klingelpütz 21 für den ersten Neubau einer Strafanstalt in der preußischen Rheinprovinz (Klein 1863, S. 49f.). Die Parzelle war bis 1787 der Standort eines in diesem Jahr aufgegebenen Augustiner-Chorherrenstifts „Herrenleichnahm“.
Die Bauarbeiten begannen am 29. Mai 1835 nach Entwürfen des Kölner Regierungsbaumeisters Matthias Biercher (1797-1869) und der fertige Bau wurde am 15. Oktober 1838 als „Arrest- und Correctionshaus am Klingelpütz zu Cöln“ übergeben.
„Der dreigeschossige Ziegelsteinbau für 300 'Zwangs-Arbeitsstraffällige' und 500 'Correktionäre' (Gefangene) hatte einen voll ausgebauten Keller und zwei Gefängnismauern. Die Innenmauer hatte eine Höhe von 5,02 Metern, die äußere war 6,28 m hoch. Das Mittelgebäude war in Form eines Oktagons gestaltet. (…) Ab März 1843 erfolgte die Erweiterung um den Südflügel, auch Isolierhaftflügel genannt, mit Einzelzellen für 180 Personen, die 1845 vollendet war.“ (de.wikipedia.org, ausführlich bei Braun 2003)
Obgleich die Anstalt Platz für rund 800 Insassen bot, erwies sie sich bereits 1841 als zu klein – Notgefängnisse wurden seinerzeit in der Severinstorburg und im Bayenturm eingerichtet. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass seinerzeit neben Straftätern auch „Geistes- und andere Kranke, Bettler, Menschen ohne festen Wohnsitz, sowie Waisenkinder und so genannte Fürsorgezöglinge“ in den Anstalten untergebracht wurden (Braun 2003, S. 132) und im Klingelpütz auch „Kinder, welche auf Verlangen ihrer Eltern eingesperrt werden“ (www.koeln-lotse.de).
Da der Klingelpütz schon gewohnheitsmäßig aus allen Nähten platzte, erfolgten immer wieder Um- und Erweiterungsbauten. Zwischen 1892 und 1896 wurde „unter anderem ein spezielles Hafthaus in einem der Innenhöfe errichtet. Vorher musste jedoch das Obergeschoß des mittig gelegenen Oktagons zu einer Anstaltskirche umgebaut werden, da die alte Kapelle dem neuen Hafthaus weichen musste. Mit diesen und weiteren Umbauten blieb der Klingelpütz bis zum 29. Juni 1943 nahezu baulich unverändert.“ (ebd.)
Preußische, Weimarer und NS-Zeit
Der wohl berühmteste Insasse des 19. Jahrhunderts war Paulus Kardinal Melchers (1813-1895, Kölner Erzbischof 1866-1885) im Rahmen des Kulturkampfes. Der bei den Katholiken außerordentlich populäre Melchers wurde nach seiner spektakulären und Aufsehen erregenden Verhaftung am 31. Mai 1874 für etwas mehr als ein halbes Jahr im Klingelpütz inhaftiert.
Da sie über einen von außen nicht einsehbaren Hof verfügte, wurden in der Kölner Anstalt auch Todesurteile anderer Justizeinrichtungen im Rheinland vollstreckt. So wurden hier am 29. Dezember 1923 der in der Eifel als „Stumpfarm“ bekannte vierfache Mörder (das Urteil beinhaltete ferner einen Totschlag) Johann Mayer (1886-1923) durch Enthauptung hingerichtet (dpsg-kaisersesch.de) und am 2. Juli 1931 der als „Vampir von Düsseldorf“ bekannte (mindestens) neunfache Serienmörder Peter Kürten (1883-1931), der seine Mordserie 1913 in seinem Geburtsort Mülheim begonnen hatte (www.ksta.de und www.koeln-lotse.de).
Während der NS-Diktatur wurde diese Praxis für Verurteilungen durch Sondergerichte (Aachen, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Hagen, Koblenz, Köln, Münster, Wuppertal), den Berliner Volksgerichtshof und das Leipziger Reichsgericht fortgesetzt – vermutlich kamen hier über 1.000 Menschen mit dem Fallbeil zu Tode.
Für die Nutzung durch die im Kölner EL-DE Haus residierende Geheime Staatspolizei (Gestapo) war ab 1944 ein ganzer Flügel der Haftanstalt reserviert. Die durch andauernde Überbelegung ohnehin sehr beengten Haftbedingungen verschlimmerten sich nochmals durch einen Bombentreffer im gleichen Jahr. Bei Kraus findet sich zur Überbelegung die Angabe: „Die Gefangenen, deren Anzahl 1940 auf über 15000 anstieg und 1944 über 10000 betrug, waren überwiegend ausländische Zwangsarbeiter.“ (ebd. 1999, S. 73)
Eines der zahlreichen Opfer zur Zeit des Nationalsozialismus war der deutsche Jude Karl Leopold Schaps (1910-1942), der wegen „Rassenschande“ zum 14. März 1942 von der Gestapo im Gefängnis Klingelpütz inhaftiert wurde, obgleich er wohl eher „eine Mischung aus ‚Bonvivant' und ‚Filou'“ war, ein „charmanter Bruder Leichtfuß, der es mit der Wahrheit nicht so genau [nahm und] ... offenbar nicht in der Lage [war], die politischen Kräfte, die in Deutschland an der Macht sind, realistisch einzuschätzen.“ (Serup-Bilfeldt 2005)
Um das am 20. August 1942 mit dem Fallbeil vollzogene Todesurteil zu ermöglichen, wurde er von einer Sonderkammer des Kölner Landgerichts mittels überwiegend konstruierter Anklagen als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ eingestuft.
An Schaps erinnert seit dem 5. Oktober 2020 ein Stolperstein an seiner früheren Arbeitsstätte am Hohenzollernring 18 in der Altstadt.
Nach dem Fund von sieben ausländischen Toten kurz nach der Befreiung (25. Mai 1945) wurden im Oktober und November nochmals weitere 80 Leichen im Gefängnishof ausgegraben. Es handelte sich wahrscheinlich um politische Häftlinge, die offenbar für eine Verlegung in das Konzentrationslager Buchenwald als „transportunfähig“ angesehen und noch am 15. Januar 1945 ermordet wurden (Kraus 1999).
Auf dem Kölner Westfriedhof in Vogelsang befindet sich ein eigenes Gräberfeld für Hingerichtete im Klingelpütz, die während der NS-Zeit von Sondergerichten zum Tode verurteilt, im Klingelpütz ermordet und dann anonym begraben wurden. Eine Informationstafel des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln (NS-DOK) erinnert vor Ort an die Geschehnisse.
Ende der Haftanstalt und heutige Situation
In der Nachkriegszeit galt die mittlerweile 120 Jahre alte Anstalt als deutlich zu klein. Nach 1945 wurden nochmals Höhepunkte in der Belegung erreicht. Infolge von zahlreichen Wirtschaftsdelikten und Zollvergehen in den Nachkriegsjahren lag die Tagesdurchschnittsbelegung bei 1100 bis 1200 Insassen und in den letzten Jahren bis zur Schließung waren jährlich etwa 18000 Haftfälle zu verzeichnen, „d. h. dass 18000 verschiedene Menschen die Pforte zu einem längeren oder kürzeren Zwangsaufenthalt in Untersuchungshaft oder in Strafhaft passiert haben“ (www.jva-koeln.nrw.de, Klingelpütz)
Zur Mitte der 1960er-Jahre häuften sich auch negative Schlagzeilen rund um körperliche Übergriffe von Vollzugsbediensteten auf Gefangene und um Gewalt unter Häftlingen. Den Vorwürfen in der so genannten „Klingelpütz-Affäre“ 1964-1966 infolge einer Reihe schwerster Misshandlungen an Gefangenen, konnte der Justizvollzug im veralteten Klingelpütz wie auch ein Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer NRW-Landtags nur bedingt begegnen (Wüllenweber 1967 u. de.wikipedia.org, Klingelpütz-Affäre).
Auch Ausbrüche aus dem Gefängnis häuften sich in dieser Zeit – alleine zwischen 1960 und 1969 flohen 27 Gefangene. Eine letzte spektakulären Flucht gelang sieben Insassen am 23. August 1968 nur kurz vor der Schließung des Klingelpütz (youtu.be, „Chicago am Rhein“).
Gleichwohl galt für die schweren Jungs des Kölner kriminellen Untergrunds: „Ein richtiger Kölscher aus dem Milieu, der musste mal im Klingelpütz gewesen sein. Das musste sein, um mitsprechen zu können“ – so der Kölner Geldfälscher Hans-Jürgen „de Duv“ Kuhl (*1941), der seine sechsjährige Haftstrafe ab 2007 allerdings in der Justizvollzugsanstalt Euskirchen verbrachte. Die Kölner Rotlichtgröße Anton „Lange Tünn“ Claahsen (*1947) verbrachte hingegen zweieinhalb Jahre Haft im Klingelpütz (Müller / Mueller 2011, S. 12 und 93-113).
Die bereits seit Ende der 1950er-Jahre geplante neue Kölner Justizvollzugsanstalt in Ossendorf nahm 1968/69 ihren Betrieb auf, so dass nach der Verlegung der Gefangenen dorthin der Abriss des alten Klingelpütz erfolgen konnte – unter anderem durch eine große Sprengung am 4. Juni 1969.
Auf dem ehemaligen Gelände wurde 1969-1971 der heutige, rund zwei Hektar große Klingelpützpark eingerichtet. Der innerstädtische Landschaftspark gilt aufgrund seiner großräumigen Anlage als zeittypisches Beispiel stadträumlicher Gestaltung.
Zum 40. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges wurde am 1. September 1979 ein von dem Künstler Hans Karl Burgeff (1928-2005) gestalteter Gedenkstein der Öffentlichkeit übergeben. Dieser erinnert an den Klingelpütz als NS-Hinrichtungsstätte, seine Inschrift lautet:
„Hier wurden von 1933-1945 über tausend von der nationalsozialistischen Willkürjustiz unschuldig zum Tod Verurteilte hingerichtet.“
(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2016/2022)
Internet
www.jva-koeln.nrw.de: Der Klingelpütz. Das alte Kölner Gefängnis (abgerufen 19.07.2021)
www.jva-koeln.nrw.de: Die neue JVA Köln (abgerufen 22.02.2016)
deu.archinform.net: Internationale Architektur-Datenbank (abgerufen 24.02.2016)
www.koeln-lotse.de: Der kölsche Knast Teil IV: Der legendäre Klingelpütz (Uli, der Köln-Lotse vom 14.08.2021, abgerufen 16.08.2021)
www.koeln-lotse.de: In Köln geboren und gestorben: Peter Kürten – der „Vampir von Düsseldorf“ (Uli, der Köln-Lotse vom 29.10.2022, abgerufen 31.10.2022)
landkartenarchiv.de: Plan von Köln 1938, Werbebeigabe des Kaufhauses Carl Peters in Köln, Verlag Ernst Moißl sen., Köln (abgerufen 15.07.2021)
youtu.be: „Chicago am Rhein – Von großen und kleinen Ganoven in Köln“ (Dokumentation von einsfestival über die Zuhälter in Köln, Teil 1), zeitgenössische Originalaufnahmen zum Klingelpütz ab 9:00 (abgerufen 28.02.2017)
altes-koeln.de: Klingelpütz (abgerufen 16.06.2023)
www.dpsg-kaisersesch.de: „Stumpfarm“ hinterließ eine blutige Fährte (Trierischer Volksfreund vom 21./22. September 1996, abgerufen 26.01.2013)
www.ksta.de: Kölns geheimnisvollste Orte: „Das Haus, in dem Serienmörder Peter Kürten tötete“ (Kölner Stadt-Anzeiger vom 04.02.2019, abgerufen 12.08.2020)
de.wikipedia.org: Klingelpütz (abgerufen 12.02.2016)
de.wikipedia.org: Klingelpützpark (abgerufen 24.02.2016)
de.wikipedia.org: Klingelpütz-Affäre (abgerufen 09.03.2021)
de.wikipedia.org: Karl Leopold Schaps (abgerufen 21.06.2021)
de.wikipedia.org: Johann Mayer, Serienmörder (abgerufen 17.02.2017)